Im ersten Förderquartal des FriXFond hat sich die Jury für eine spartenübergreifende Auswahl von sechs unterschiedlichen Projekten entschieden, die sowohl von einzelnen Künstler*innen wie auch von Gruppen und Kollektiven eingereicht wurden:

Dreiländereck

Mit dem Projekt Dreiländereck wird eine Skulptur im öffentlichen Raum realisiert. Damit gehen die Akteure von Spree:publik und Jonny Knüppel direkt auf Themen ein, zu dessen Sichtbarmachung der FriXFond unter Anderem gegründet wurde: die Verdrängung von Kunst und Kulturschaffenden und das verschwinden von nicht profitorientierten Freiräumen aus dem Stadtbild Friedrichshain-Kreuzbergs. Am sogenannten Dreiländereck wird eine Plattform mit einer geodätischen Kuppel errichtet. Ein symbolischer öffentlicher Raum – der, wie viele Freiräume in Berlin, nur mit einer gewissen Anstrengung erobert werden kann. Mit seiner Platzierung, Rahmenprogramm, Vernetzung mit der Nachbarschaft und der Floßcommunity, sowie Hinweisen laden die Akteure dazu ein, die Skulptur als Bühne zu nutzen und selber aktiv zu werden.

Ghost Town

Das besonders nicht profitorientierte Subkulturorte von Verdrängung betroffen sind, zeigt die Zahl der Orte, die in den letzten Jahren aus dem Kiez verschwunden sind. Diese Orte für einen Abend symbolisch zu reaktivieren, eine Plattform für junge Bands zu bieten und dabei einen Dialog über das Verschwinden anzustoßen, möchte das Projekt Ghost Town. Mit einer mobilen Konzertreihe ohne Eintritt im September 2018 kann sich ein Publikum über einem Tag das alte, schon verschwundene Berlin bei fünf Konzerten nacheinander erschließen. An den Orten werden Geschichten von einer ehemaligen Akteur*in mit dem Publikum geteilt und eine Reflexion darüber angeregt, wie solche Orte in Zukunft besser geschützt werden können.

SOX

Das SOX ist eines der ältesten Non-Profit-Projekte für zeitgenössische Kunst in Berlin. Seit 1981 können hier in einem Glaskasten auf der Oranienstraße Künstler*innen niederschwellig und sichtbar für ein breites Publikum ihre Werke ausstellen und in den direkten Dialog mit den Bewohner*innen Friedrichshain Kreuzbergs treten. Die Irritation des öffentlichen Raums bleibt ein konstantes Ziel. Diese wechselnde Kunst im Schaufenster als unbekannte Variable gegenüber dem Alltag auf der Oranienstraße soll mit Unterstützung durch den FriXfonds fortgeführt werden können.

Wir lassen uns nicht ans Bein pissen *

Auch das Projekt Wir lassen uns nicht ans Bein pissen wird mit Irritation und Konfrontation im öffentlichen Raum als Form der künstlerischen Auseinandersetzung, arbeiten. Rücksichtslose Wertschöpfung durch Unternehmen setzt sich auch in den Verhaltensweisen von Besucher*innen gegenüber dem Lebensumfeld anderer fort. Solange konsumiert wird, darf alles benutzt, verschmutzt und zerstört werden – Hauptsache ich habe Spaß. Diese Rücksichtlosigkeit manifestiert sich auch darin, jemand anderem vor den Hauseingang zu pissen. Diese Dominanz Geste als Symbol für das inflationäre Rumgepisse, Rücksichtlosigkeit und Indivialitätsverwirklichung auf Kosten aller Anderen wird in Form Videoarbeiten, die urinierende Penisse in Totale zeigen, kritisch hinterfragt.

Zukunftsland

Ausgehend von einer positiven Utopie wird das Projekt Zukunftsland das Publikum als zentrales Element der künstlerischen Interventionen auf eine Bustour durch Friedrichshain-Kreuzberg einladen. In Form eines Zukunftssightseeing wird ein Blick in (ein mögliches) Jahr 2099 geworfen, in dem prekären Arbeitsbedingungen überwunden sind, genug Arbeitsräume zur Verfügung stehen. Egoistisches Einzelkämpfertum gehört der Vergangenheit an. Es existiert eine starke Zivilgesellschaft, in der sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen gleichgestellt sozial und künstlerisch engagieren. Der Stadtraum ist als kollektives Gesamtkunstwerk erfahrbar und gestaltbar. Kurzum: eine Utopie, die für alle – außer ein paar gierigen Unternehmen – großartig wäre. Angelehnt an eine klassische Sightseeing-Tour wird der Bus an verschiedenen, aktuell durch Gentrifizierung geprägten und von Verdrängung bedrohten Orten Halt machen und neue, unerwartete und visionäre Geschichten zum Leben erwecken. Mit unterschiedlichen performativen Interventionen von mitwirkenden Künstler*innen über die fünf Bustouren hinaus können neben den Teilnehmer*innen der Bustour auch Passant*innen durch eine eigens entwickelte App und Plakate über eine mögliche Gemeinsame Zukunft ins Gespräch kommen.

Wo kochen Küchenlose

Vernetzung und gemeinsames Auseinandersetzung über mögliche positive Veränderungen stößt auch das Projekt Wo kochen Küchenlose an. Gemeinsam mit jungen Menschen im Alter zwischen 8 und 12 Jahren wurde sich bereits in Workshops über das soziale Thema des gemeinsamen Zubereiten und Essen dem Thema Obdachlosigkeit in Berlin angenähert. Küche und Herd sind oft zentraler Ort und sozialer Sammelpunkt einer Wohnung. Sie schaffen Zuhause. Sich selbst versorgen zu können, ist essenzieller Teil des Menschseins. Davon ausgehend kommen Kinder in den Kontakt mit obdachlosen Menschen, die in Berlin keinen Ort haben, an welchem sie sich eigene Mahlzeiten zubereiten können. Eine Modellküche wird gebaut und im Öffentlichen Raum durch Performance einen Dialog mit Passant*innen anregen.

Die Jury hat sich für diese sechs von unterschiedlichen Sparten und Ansätzen her kommenden Projekten auf Grund ihrer stadtpolitischen Relevanz, spannenden künstlerischen Visionen und Schlüssigkeit der Projektideen entscheiden. Dabei konnten leider viele toll Projekte nicht mit in die Förderung aufgenommen werden.

Die Fülle an Projekten die für diese erste Fördermittelvergabe eingereicht wurden; 102 Projekte mit einem Antragsvolumen von 931.821,94 Euro weist darauf hin, dass es einen direkten Bedarf für Künstler*innen nach direkter, von Institutionen unabhängiger Förderung gibt. Jedes einzelne eingereichte Projekt zeigt das sich Künstler*innen sehr aktiv in ihrer Arbeit mit der Bedrohung ihrer Arbeit und ihres Lebensumfelds durch Gentrifizierungsprozesse beschäftigen und kreativ darauf regieren. Wir hoffen und freuen uns auf die Fortsetzung dieser Förderung im nächsten Quartal!

Sarah Wenzinger für die FriXfonds-Jury

 

* Die unabhängige Jury des FriXfonds entscheidet mit einer qualifizierten Mehrheit. Beim Projekt „Wir lassen uns nicht ans Bein pinkeln“ haben sich 2 Jurymitglieder explizit gegen eine Förderung ausgesprochen. 

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